Ich war auf einem Konzert. Erst meine endlosen PeterLicht-Loblieder, nun ein Holofernes-Konzert, dabei verstehe ich doch nichts davon, von Musik nicht, von Pop, von Konzerten nicht. Es geht mir mit einem Konzert wie mit Kino. Ich besuche das so selten, dass ich sowieso beeindruckt bin – echt, so groß sind die Leinwände! Wie, der Hubschrauber flog ja hinter mir! Ich bin der dankbare Teil des Publikums.
Das Konzert
war also großartig! Überraschend fand ich, wie durchgeplant, wie genau
arrangiert jeder Song war. Das wirkte bei den „Helden“, meiner Meinung nach,
ganz anders. Damals. Was für ein großes erstes Album. Damals. Diese massive
Ironie, die schon der Bandname ankündigte, und dann der erste Hit „Guten Tag,
Guten Tag, ich will mein Leben zurück!“ Dieser Schlag von schräg halblinks saß.
Nochmal berlinerisch zitiert von „Icke & Er“ in ihrer „Exit Strategie“.
Sobald „Icke & Er“ es sangen, fiel das leicht verkrampfte von Judith
Holofernes in diesem Lied auf, es kommt noch zu genervt, zwar tanzbar und
flott, aber mit diesem leicht nöligen Unterton.
Nun also keine
Helden mehr, sondern Judith Holofernes allein, ihr angetrauter Schlagzeuger
stand im Publikum. Allerdings eine großartige Band, soweit ich das beurteilen kann,
die Holofernes da begleitete, aber ich staunte ja nur, das gebe ich wieder zu
bedenken, da in diesem riesigen Raum, mit, Wahnsinn!, so vielen Menschen, die
alle nur Frau Holofernes hören wollten.
Vor allem ein
Lied von Judith Holofernes hat im Vorfeld Aufmerksamkeit erregt, auch wenn es live
nicht das stärkste Stück war, „Liebe Teil 2, jetzt erst recht“.
Seit dieses
Liedlein veröffentlicht ist, stehen angeblich in Berlin weinende Mamas
dutzendweis um Judith Holofernes, sobald sie sich unter Menschen zeigt und unter
diesen Menschen Mamas zugegen sind. Darüber kann man staunen! Es geht eben um
der Liebe zweiten Teil, wenn Alltag und Kinder da sind – sofern sich diese
beiden nicht gerade ausschließen. Das ist ein mieses Thema für ein Lied, das
ist so ein Thema für die erfolgreiche Mittelklasse-Schriftstellerin, aber für
ein Lied durchaus riskant. Das kann in jede Richtung übel abstürzen: Nörgelei,
Kitsch, Bitterkeit. Aber es stürzt nicht, es trägt – mitten durch den Kitsch
hindurch:
„Du fragst: wie hast du geschlafen
ich sag: weniger als du
Du sagst: weniger als gar nicht
aber
ich hab schon die Augen zu“
Auf das
Minimum reduziert und trotzdem nicht ins Beliebige und Allgemeine abgleitend,
die Verse sitzen.
Die Frage des
Blogs muss natürlich kommen, bevor es zu kuschelig wird: Ist das spießig
geworden? Es ist älter geworden. Mit den „Helden“ konnte man noch einen Traum
von jugendlicher Abgrenzung träumen. Wer in der Liebe zweiten Teil angelangt
ist, der hat wohl ziemlich viel Jugendlichkeit hinter sich. Und da hilft es
eben nicht, 2014 auf ein „Black Sabbath“-Konzert zu gehen. Ganz sicher nicht.
Der alternde Rock, der alternde Punk, der gelebte Widerspruch. Der Traum von
ewiger Jugend hängt gut sichtbar aus Mick Jaggers Mund heraus.
Aber was hat
dieses Älterwerden überhaupt mit Spießigkeit zu tun? Der Zusammenhang ist
zunächst ganz einfach: Um in festgefahrene Bahnen zu kommen, brauchen die
meisten Menschen etwas Lebenszeit. Jugendlichkeit und Spießigkeit schließen
sich fast aus, weil das jugendliche Leben oft noch ein Entwurf ist, das widerspricht
der „Engherzigkeit“, den beschränkten Horizonten. Der Bau des geistigen
Jägerzauns, er braucht Zeit.
Nun, Judith
Holofernes ist älter geworden, nicht als einzige. Von Spießigkeit keine Spur,
das Lied über die Liebe, nochmal, es hat keinen nostalgischen Zug, es nörgelt
auch gar nicht, und es ist dennoch nicht „angekommen“, nicht lebensweise, ein „trotzdem“
wird aus der Jungendlichkeit mitgenommen. Wie sollte ich anders darüber
schreiben? Vom Konzert noch zu begeistert, wie die da spielten! Und wie sie
sang, so wunderbar heiser, wie live sich das anfühlte. Spießigkeit
ausgeschlossen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.