Nochmal PeterLicht. Richtig, seine Finanzierung ist noch nicht abgeschlossen. Und ich will wenigstens einen Sprung in die neueren Alben machen. Da gibt es diese Zeilen auf dem Album Melancholie und Gesellschaft: „bitte nie mehr Sexualität zeigen, bitte nie mehr und nirgendwo, in Zusammenhang mit euren Produkten, bitte nie mehr Haut und nie mehr Po […]“
Ist das Spießermoral? Will da jemand seine eigenen Moral-Vorstellungen
einer breiten Masse aufdrücken. Soll daraus am Ende eine Anti-Model-Petition
werden? Empörung, Engstirnigkeit, Korrektheit.
So einfach ist das wiederum nicht. Es geht ums Marketing, ein
Lieblingsthema von PeterLicht, vor allem auf Melancholie und Gesellschaft
ist das zu spüren: „raus auf die Straßen, die noch blau sind; das Marketing hat
noch nicht begonnen für diesen Tag.“ Bevor das Marketing beginnt, ist die Welt
unschuldig. Das Marketing hat die Sexualität schuldig gemacht, ließe sich also
für das erste Lied analog formulieren. Nichts gegen nackte Körper, aber sie
sollen ja nur etwas verkaufen. Nicht die Waren bekommen einen sexuellen
Anstrich, sondern die Sexualität ist verdorben, weil sie vom Marketing bestimmt
wird.
Das ist, merke ich, da ich diese Zeilen schreibe, wohl nicht ganz neu.
„Sex sells“ und wie die Werbung unsere Vorstellungen von Schönheit und Körpern
etc. verändert hat: Das klingt selbst in den Ohren eines Wissenschaftlers nicht
mehr originell und innovativ. Den Antrag für den Sonderforschungsbereich wird
er sich sparen können. Das Vergnügliche an dem Lied ist, neben dem ‚heiteren’
Vortrag, diese einfache Formel, auf die alles gebracht wird: Nie wieder
Sexualität zeigen! Und es ist ja gar keine Empörung, da wird höflich gebeten,
das ist durchaus verständnisvoll, aber bitte, liebe Sockenschaffende, zeigt
keine Sexualität mehr. Da fehlt offenbar alle Ernsthaftigkeit, das löst sich
fast, aber nur fast, in Ironie auf. Und dann das Adorno-Späßchen: Es gibt
keinen wahren Po im falschen. Kein wahres Leben im falschen; keine wahre
Sexualität in der marketingförmig gemachten Welt.
(Und ich mache hier Werbung für PeterLichts Live-Album? Mache meinen
Blog marketingförmig – ich sollte vielleicht noch ein paar nackte Körper zeigen –,
damit ich auf das Album hinweisen kann, zwar unbezahlt und unbestellt, aber
werbend, täusche vor, mir ginge es um Kunst und die Spießerfalle?)
Die Ironie
geht auch direkter bei PeterLicht:
„Wer gut
aussieht, ist besser als jemand, der nicht so gut aussieht,
der aber immer
noch besser ist als jemand, der überhaupt nicht aussieht
und eigentlich
ja schon tot ist.
Da kann man
nix machen!“
Die Stoßrichtung
in dieser Strophe von „Wettentspannen“ von dem Album Lieder vom Ende des Kapitalismus ist leichter zu erfassen. Schönheit
ist ein hoher Wert der Gesellschaft, was in dem Lied in „besser sein“ übersetzt
wird. Die Schöne ist besser als die nicht so Schöne. Das ist halt so. Hier
Sarkasmus, aber wieder keine Petitionen. Heidi Klum darf bleiben.
Darin, um auf
die Ausgangsfrage nach der Spießerfalle zurück zu kommen, liegt vielleicht ein
Geheimnis der So-gar-nicht-Spießigkeit: Da wird nichts aufgedrückt, nicht
beschwert, nicht gemeckert. Das vorerst letzte Album heißt Das Ende der Beschwerde. Und
aus dem entsprechenden Lied:
„Du blickst in
die Herde und wartest auf das Ende der Beschwerde
Und denkst dir, Gesellschaft ist toll, wenn nur all die Leute nicht wärn.
Du, du, du, du, du und dein Leben
Du, du, du, du, du, Ihr beide müsst, dein Leben ändern.“
Und denkst dir, Gesellschaft ist toll, wenn nur all die Leute nicht wärn.
Du, du, du, du, du und dein Leben
Du, du, du, du, du, Ihr beide müsst, dein Leben ändern.“
Das ist
resignativ. Die Beschwerden gehen weiter, die Leute nerven; also das eigene
Leben ändern, ja, würde ich vielleicht, lieber Herr Rilke, „wenn ich nur
wüsste, welches Leben ich ändern müsste und welches besser nicht.“
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