Samstag, 19. April 2014

Der Osterhase, dieser Spießbürger


Ich erinnere mich dunkel, es gab mal ein Gerichtsurteil - wenn ich es recht erinnere, war es in Australien - das verbot den Erzieherinnen und Erziehern eines Kindergartens, die Kinder darüber aufzuklären, dass es den Weihnachtsmann nicht gebe. Also, vielleicht bewege ich mich jetzt in einer rechtlichen Grauzone: aber der ist fiktiv. Die Geschenke, wenn es sie denn gibt, kauft der nicht selbst ein, so viel Geld hat der nicht, so viel verdient der gar nicht. Und jetzt soll dieser Osterhase kommen, nicht ganz so populär geworden, lässt er auch immer nur lumpige Schokoladeneier springen – ebenfalls fiktiv. Nicht verboten, aber zumindest verpönt ist es, den Kindern zu sagen, dass der Hasenbraten oder das Lämmchen wirklich ein Hase oder ein Lämmchen ist. Von der Ostereierfabrik in den Topf? Diesen Bruch kann keine Geschichte kitten.

Nichts gegen Mythen. Wenn es donnert, spielen die Engel Fußball, besser kann man es einem Dreijährigen wahrscheinlich kaum erklären. Und genauer habe ich es selbst nie verstanden. Ach, und wer zu einem Atomkraftwerk sagt, das sei eine Wolkenfabrik – meinetwegen, sehr gerne.

Irritierend ist es, dass immer just zu den großen kapitalistischen Familienfesten die Kirchen auftreten, und diese für sich reklamieren wollen. Dabei ist nicht jeder mit einem langen weißen Bart der Gott. – Oder alles andersherum?

Diese Durchkapitalisierung der Feste ließe sich mit Kierkegaard ebenso als Verspießerung verstehen. Das ‚Ideale‘ fällt weg, eine höher tragende Idee; es bleibt das durch und durch Wahrscheinliche. Das ‚Ideal‘ mag ich kaum schreiben, merke ich, da ich es gerade schreibe. Das hat einen schlechten Ruf: der Idealist, der Träumer, der Spinner. Anpacker werden gebraucht und nicht Idealisten, die in alten Höhlen ihre Traumgespinste allzu ernst nehmen. Diese Differenz allerdings, zwischen dem Tatmenschen und dem Träumer gibt es an der Stelle bei Kierkegaard nicht. Wer sich mit dem Idealen einlässt, der kann das bei Kierkegaard nur angemessen mit Leidenschaft, zupackend.

Psychologen, so habe ich hier gelesen, erlauben es den Eltern jedenfalls, die Geschichten vom Osterhasen zu erzählen. Das rege die Phantasie an. Phantasie ist gut. Da freut sich der alte Kierkegaard mit. Der Glaube an den freundlichen Hasen verschwinde ganz von allein, wenn die Kinder älter werden. Ach so, ja, die Phantasie für die Kinder, die Vernunft für uns Große. Als sei der Sinn der Phantasie, dass sie irgendwann entzaubert werden kann. Der Osterhase ist der Johannes des Spießbürgers.

Das großartige Fries kann sogar die Phantasie von Erwachsenen anregen. Hasen haben einen Jäger erlegt. Was machen diese Hasen auf dem Kaiserdom von Königslutter? (Bild von AxelHH, auf Wikimedia.)
 
Das war nun nicht ganz schlüssig argumentiert von mir, zugegeben. Allerdings ist da so eine Logik versteckt, die mir nicht behagt: Zum einen, Phantasie werde angeregt, wenn man Unwahrheiten erzählt. Und daraus folgt, wer die „Wahrheit“ kennt, hat die Phantasie nicht mehr nötig. Das könnte letztlich stimmen. Jedoch: Der Sinn von guten Mythen ist es, das Unerklärliche zu handhaben. Die größten Rätsel, selbst für Kinder, laufen aber nicht auf die Frage hinaus, wie kommen die Geschenke zwischen die Tulpen.

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