Montag, 27. Januar 2014

Die Geschichte des Jägerzauns


An Zäune gibt es, vielleicht gerade in Deutschland, grässliche Erinnerungen. Was auf der einen Seite Schutz versprechen soll, ist auf der anderen Seite eine Androhung. Der Jägerzaun stellt sich dagegen friedlich in den Weg, er hat diesen historischen ‚Ballast‘ nicht zu tragen. Hinter einem Jägerzaun sperrt man niemanden weg, er sichert keine Grenzen. Er ist offenbar das harmlose Familienmitglied der Zäune, die in unzähligen Varianten auf dem Land, im Dorf und in der Stadt im Einsatz sind.

Man muss schon ziemlich weit in der Geschichte zurückgehen oder von Europa aus einen großen Schritt machen, um auf zaunlose Kulturen zu stoßen. Für Nomaden wären Zäune hinderlich gewesen, sie wären beim herumnomadieren ständig gestolpert. Auch im brasilianischen Urwald ist der Zaun ein exotisches Bauelement und genauso in der Steinzeit, in der die Jagd- und Sammelvereine keine Jägerzäune brauchten. Sesshaftigkeit scheint eine Vorbedingung für den Zaun zu sein.

Dort, wo die Menschen sich niederlassen, ziehen sie einen Zaun. Von Anfang an ist der Zaun tatsächlicher Schutz und zugleich ein Zeichen. Er grenzte den Garten ab vom Nachbargarten, oder er sicherte die Grenzen einer ganzen Gegend als ‚lebendiger Zaun‘, was man heute eher Hecke nennen würde. Ein großer Palisadenzaun oder eine dichte Hecke konnten durchaus eine Räuberbande zurückhalten oder den zu eiligen Prinzen, bevor die hundert Jahre um waren, vom Dornröschenschloss.

Eine Hecke, wie man sie in der Eifel oft noch sieht: sehr hoch! Bild von Stefan Heinz auf Wikimedia. 

Der kleine Zaun am Garten schützte eher das Gemüse vor den Tieren – und zeigte zugleich den Besitz an. Hier gehört auch der Jägerzaun hin. Der Fürst, der in einem Wald einen hohen Wildbestand förderte, um dann und wann eine aussichtsreiche, frustfreie Jagd veranstalten zu können, bereitete den Bauern damit Probleme. Die Felder wurden abgefressen. Unser Fürst erlaubte im Gegenzug den Bauern, Holz kostenlos im Wald zu schlagen, um die Felder vor dem Wild zu schützen: Jägerzäune entstanden, die sich, faltbar wie eine Ziehharmonika, gut transportieren ließen.

Nun muss man sich diese ersten Jägerzäune wohl etwas höher vorstellen, denn, nun ja, welches Wildtier schreckt vor den üblichen sechzig Zentimetern zurück? Ein Reh dürfte diese Höhe springend bewältigen können. Der Jägerzaun hat aber in den meisten Vorgärten gar keine Schutzfunktion mehr, nur eine symbolische. Und vielleicht ähnlich wie beim Spießbürger tritt die symbolische Funktion in den Vordergrund, wenn die ursprüngliche in den Hintergrund tritt. Wildtiere kommen zwar wieder in Städten vor, aber der Jägerzaun schützt nicht vor ihnen. Man braucht ja auch gar keinen Gemüsegarten, nicht einmal einen Garten, um einen Jägerzaun vor das Haus zu setzen. Er zeigt nur an: hier meins. 

Ein Jägerzaun, der im Idealfall Garten und Horizont sicher begrenzt.
 
Warum ausgerechnet der Jägerzaun ein Symbol der Spießigkeit werden konnte, ist eine schwierige Frage. Aber der Gartenzwerg neigt zum Jägerzaun. Eine andere Geschichte muss ergänzend erzählt werden: die Geschichte des ‚hortus conclusus‘, des geschlossenen Gartens, der vor allem im Mittelalter das Paradies darstellte. Der Paradiesgarten, ein geschlossener Raum, sicher und schön. Das Spießergärtchen mit Gartenzwerg und Jägerzaun wirkt nun gerade wie eine bürgerliche, schlecht gemachte Kopie davon. Nun liegt der Schluss halt nahe: Wenn der Bürger anfängt das Paradies zu planen, dann kommen erstmal Jägerzaun und Gartenzwerge. Paradiesisch wird das sicher nicht, bloß spießig.

Kein Spießbürger weit und breit: der Paradiesgarten. Bild "Das Paradiesgärtlein", ca. 1410, Frankfurter Städel, Quelle: Wikimedia.

Quellen: Art. Jägerzaun, auf Wikipedia.
Art. Zaun, in: Jacob u. Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch.
Daniel Kufner: Zaunkultur – eine künstlerische Bestandsaufnahme, auf http://www.ecotopics.de/ecopics/zaunkultur.pdf 

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