Dienstag, 14. Januar 2014

Ordnung in der Nachbarschaft. Eine Beispielgeschichte


Wieder einmal eine kleine Geschichte über ein paar Figürchen und ihre Ansichten, die ganz ähnlich sich zugetragen haben könnte, wenngleich mir nichts davon bekannt ist.

Joachim wartete auf Torsten in dem Café, das beide so gern hatten. Joachims Tochter und Torstens Sohn waren bei derselben Tagesmutter, was aus der Bekanntschaft so etwas wie eine Freundschaft gemacht hatte. Alles war hier in der Nähe: Joachim wohnte oberhalb des kleinen Hügels am Park, Torsten unterhalb, das Café war mittendrin, die Tagesmutter wohnte fünf Gehminuten entfernt. Auch alles andere war in der Nähe: Man traf sich beim Biobäcker oder auf dem Wochenmarkt vor der Käsetheke (der allerbeste Gran Padano), im „Abgekocht“ oder im „Haarscharf“ oder im kleinen Parkcafé, das Joachim und Torsten so gern hatten.

Joachim und seine Kati suchten schon lange nach einer neuen Wohnung, ihre Tochter mit anderthalb war längst zu groß für das Beistellbettchen, auch das gemeinsame Bett wurde nun zu klein für drei, und ein größeres, sogenanntes Ehebett, passte nicht ins Schlafzimmer, zumindest nicht, wenn die Nachttischchen, Erbstücke, daneben stehen sollten. Kati liebte die Nachttischchen, Erbstücke, sie liebte einen guten Schlaf, und sie liebte ihre Tochter. Also musste eine neue Wohnung gefunden werden.

Doch das war schwieriger als gedacht. Oder nein, es war genauso schwierig gewesen wie gedacht. Das Viertel zog an, wie man sagte. Man bildete sich ein, es wäre wie in Berlin, wo auf die Künstler die Anwälte und Medienberater folgten und dann die Mietpreise explodierten. So las man hier davon in den Zeitungen. Nur gab es keine Künstler. Auf die schlechter bezahlten Anwälte und Medienberater folgten die besser bezahlten. Die Künstler kamen hier in der Provinz ganz am Schluss mit einer Galerie oder einem Kunst-Café, die Gentrifizierung abrundend.

Das Viertel wollten Joachim und Kati nicht verlassen. Das war klar gewesen, alles andere konnte von Fall zu Fall entschieden werden. Der Garten wurde zuerst von der Wunschliste gestrichen, danach der Balkon, danach die zwei Badezimmer, danach die Badewanne, die hohen Stuckdecken, Holzfußböden. Die Wunschliste war leer bis auf das Viertel, das Joachim und Kati keinesfalls verlassen wollten. Nur einmal sahen sie sich eine Wohnung ganz im Süden an, also am anderen Ende der Stadt, nur einmal, dann waren keine weiteren Besichtigungen mehr nötig. Kati sah das neue Ehebett mit zwei Nachttischchen schon in ihrer Vorstellung und sah von dort in den eigenen Garten hinaus. Sie unterschrieben. Und das wollte der Joachim dem Torsten nun erzählen, dort in dem Café, das beide so gern hatten.

„Wir ziehen um. Wir haben am Samstag unterschrieben.“
„Ehrlich? Glückwunsch! Es hat also doch noch geklappt! Hat die Geduld sich also ausgezahlt. Und hast du das neue Bett schon bestellt? Oder zumindest ein bequemeres Sofa für dich?“
„Nein, es gibt wieder ein Bett. Und einen Garten wird es auch geben, gar nicht so klein ist der.“
„Ehrlich? Wo habt ihr das denn gefunden?“
„Jaa, das ist ein wenig das Problem. Es geht in die Südstadt. Wir wollten ja unbedingt hier bleiben, aber wir haben nichts gefunden. Fiel uns nicht leicht die Entscheidung, aber Kati wollte nicht mehr, und die Wohnung ist echt schön, echt die beste, die wir gesehen haben.“
„Ja, natürlich wolltet ihr hierbleiben. Und ehrlich, der Ausländeranteil ist dort ganz schön hoch.“

Sie plauderten weiter, nicht bei Torstens Bemerkung innhaltend. Erst Zuhause ärgerte sich Joachim über Torstens Satz, den Torsten längst vergessen hatte. Und dieser Satz war ja auch gar nicht bemerkenswert, rutschte er doch Torsten heraus, der ja grün-links war, der tolerant war, der für sein Medienunternehmen oft im Ausland unterwegs war. Der doch nur sein Viertel mochte, so wie es war, ordentlich und voller toleranter, grün-linker Torstens.

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