Wieder einmal eine kleine Geschichte über ein paar Figürchen und ihre Ansichten, die ganz ähnlich sich zugetragen haben könnte, wenngleich mir nichts davon bekannt ist.
Joachim wartete
auf Torsten in dem Café, das beide so gern hatten. Joachims Tochter und
Torstens Sohn waren bei derselben Tagesmutter, was aus der Bekanntschaft so
etwas wie eine Freundschaft gemacht hatte. Alles war hier in der Nähe: Joachim
wohnte oberhalb des kleinen Hügels am Park, Torsten unterhalb, das Café war
mittendrin, die Tagesmutter wohnte fünf Gehminuten entfernt. Auch alles andere
war in der Nähe: Man traf sich beim Biobäcker oder auf dem Wochenmarkt vor der
Käsetheke (der allerbeste Gran Padano), im „Abgekocht“ oder im „Haarscharf“
oder im kleinen Parkcafé, das Joachim und Torsten so gern hatten.
Joachim und
seine Kati suchten schon lange nach einer neuen Wohnung, ihre Tochter mit
anderthalb war längst zu groß für das Beistellbettchen, auch das gemeinsame
Bett wurde nun zu klein für drei, und ein größeres, sogenanntes Ehebett, passte
nicht ins Schlafzimmer, zumindest nicht, wenn die Nachttischchen, Erbstücke,
daneben stehen sollten. Kati liebte die Nachttischchen, Erbstücke, sie liebte
einen guten Schlaf, und sie liebte ihre Tochter. Also musste eine neue Wohnung
gefunden werden.
Doch das war
schwieriger als gedacht. Oder nein, es war genauso schwierig gewesen wie
gedacht. Das Viertel zog an, wie man sagte. Man bildete sich ein, es wäre wie
in Berlin, wo auf die Künstler die Anwälte und Medienberater folgten und dann die
Mietpreise explodierten. So las man hier davon in den Zeitungen. Nur gab es
keine Künstler. Auf die schlechter bezahlten Anwälte und Medienberater folgten
die besser bezahlten. Die Künstler kamen hier in der Provinz ganz am Schluss
mit einer Galerie oder einem Kunst-Café, die Gentrifizierung abrundend.
Das Viertel
wollten Joachim und Kati nicht verlassen. Das war klar gewesen, alles andere
konnte von Fall zu Fall entschieden werden. Der Garten wurde zuerst von der
Wunschliste gestrichen, danach der Balkon, danach die zwei Badezimmer, danach
die Badewanne, die hohen Stuckdecken, Holzfußböden. Die Wunschliste war leer
bis auf das Viertel, das Joachim und Kati keinesfalls verlassen wollten. Nur
einmal sahen sie sich eine Wohnung ganz im Süden an, also am anderen Ende der
Stadt, nur einmal, dann waren keine weiteren Besichtigungen mehr nötig. Kati
sah das neue Ehebett mit zwei Nachttischchen schon in ihrer Vorstellung und sah
von dort in den eigenen Garten hinaus. Sie unterschrieben. Und das wollte der
Joachim dem Torsten nun erzählen, dort in dem Café, das beide so gern hatten.
„Wir ziehen
um. Wir haben am Samstag unterschrieben.“
„Ehrlich? Glückwunsch!
Es hat also doch noch geklappt! Hat die Geduld sich also ausgezahlt. Und hast du
das neue Bett schon bestellt? Oder zumindest ein bequemeres Sofa für dich?“
„Nein, es gibt
wieder ein Bett. Und einen Garten wird es auch geben, gar nicht so klein ist
der.“
„Ehrlich? Wo
habt ihr das denn gefunden?“
„Jaa, das ist
ein wenig das Problem. Es geht in die Südstadt. Wir wollten ja unbedingt hier
bleiben, aber wir haben nichts gefunden. Fiel uns nicht leicht die
Entscheidung, aber Kati wollte nicht mehr, und die Wohnung ist echt schön, echt
die beste, die wir gesehen haben.“
„Ja, natürlich
wolltet ihr hierbleiben. Und ehrlich, der Ausländeranteil ist dort ganz schön hoch.“
Sie plauderten
weiter, nicht bei Torstens Bemerkung innhaltend. Erst Zuhause ärgerte sich
Joachim über Torstens Satz, den Torsten längst vergessen hatte. Und dieser Satz
war ja auch gar nicht bemerkenswert, rutschte er doch Torsten heraus, der ja grün-links
war, der tolerant war, der für sein Medienunternehmen oft im Ausland unterwegs
war. Der doch nur sein Viertel mochte, so wie es war, ordentlich und voller
toleranter, grün-linker Torstens.
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