Es bleibt halbliterarisch, besser gesagt, es bleibt erdacht. Nie habe ich am Elternabend eines Kindergartens teilgenommen, nie habe ich mit irgendwelchen Eltern über Fischfond diskutiert, ich habe überhaupt noch nie über Fischfond diskutiert, Vegetarismus kenne ich bloß vom Hörensagen. Hörensagen also, das hier erneut als Beispiel dienen soll. Ein Beispiel – mehr nicht.
Die Szene
spielt im Raum eines Kindergartens (eine so genannte Elterninitiative, also kein
staatlicher oder kirchlicher Träger, sondern einige engagierte Eltern, die die
pädagogische Richtung des Kindergartens vorgeben), alle sitzen auf den kleinen
Kindergartenstühlchen im Kreis. Kinderbilder hängen an den Wänden, viele warme
Farben, ein Buddha sitzt neben Maria mit dem Jesuskind, zahlreiche große Kissen
liegen hinten an der Wand, wenige rechte Winkel.
Personen:
Kati Vorsitzende im Elternvorstand des Kindergartens
Agnes im
Elternvorstand des Kindergartens
Ulrike eine Mutter
Lorenz ein
Vater
Margarethe eine
Mutter
Weitere Mütter und Väter
Es ist der
Abend, bei dem neue potenzielle Eltern den Kindergarten kennenlernen dürfen,
ein Elternabend zum Kennenlernen. Kati und Agnes haben zuvor die Struktur des
Kindergartens vorgestellt. Agnes hat viel über Engagement gesprochen, sie beginnt
erneut vom notwendigen Engagement aller Eltern zu sprechen, es geht dann über
in eine offene Gesprächsrunde.
Agnes:
Wir helfen alle mit, dass es so gut wird. Nur wenn alle mithelfen, dann schaffen
wir das auch. Das beginnt beim Kochen, Kochdienst alle zwei Wochen. Das macht
mir solche Freude, wenn es unseren Kindern dann so schmeckt. Wenn die dann reinhauen,
so sagt mein Mann immer.
Ulrike:
Und dann bringe ich einen Topf mit, in dem Essen für zwanzig Kinder ist, oder
wie?
Agnes:
Nein, gekocht wird hier. Die Küche ist richtig gut ausgestattet, nein, das Kochen kann
man hier den Vormittag über, das ist gar kein Problem, das soll ja auch frisch
sein. Eine Mikrowelle benutzen wird hier nicht. Mein Justus, das habe ich
letztens erst bemerkt, wusste gar nicht, was das ist. Das war so lustig, als er
die bei Bekannten zum ersten Mal gesehen hat, mit so einem Drehteller. Der
wusste gar nicht, was das ist. Das dreht ja, hat der gesagt, Mama, das dreht
ja.
Lorenz:
Nur vegetarisch nehme ich an?
Kati:
Ja.
Lorenz:
Und Fisch?
Kati:
Vegetarisch.
Lorenz:
Kein Fisch.
Kati:
Ja.
Lorenz:
Ich mache so gerne ein Risotto, da ist Fischfond drin.
Kati:
Das ist ja auch Fisch.
Lorenz:
Aber ohne Fischfond geht es nicht, dann ist der Pfiff weg.
Kati:
Nein, wir haben das einmal entschieden. Es soll vegetarisch sein, wir können
das natürlich wieder auf die Tagesordnung setzen, wenn dein Kind hier im
Kindergarten angenommen wird, wir reden über alles, aber erstmal kein Fisch.
Margarethe:
Fisch ist doch gesund.
Kati:
Fisch ist Tier.
Agnes:
Gekocht wird hier den Vormittag über, die Einkäufe bringt man mit, gekocht wird
hier. Alle zwei Wochen. Und alle zwei Wochen auch Elterndienst. Da darf man den
ganzen Tag dabei sein, da kann man selbst mitgestalten. Wir hatten so tolle
Angebote im letzten Jahr, eine Mutter, die Inge, hat einen Rücken-Kurs gemacht
mit den Kindern. Die Inge ist Physiotherapeutin.
Ulrike:
Mein Kind hat keine Rückenprobleme.
Agnes:
Die Inge macht das so super, das macht so einen Spaß. Und Ralf liest immer ein arabisches
Märchen vor, auf Arabisch, das klingt so lustig, und unsere Kinder lernen was,
den Klang der Sprache, sagt Ralf. Der Elterndienst ist besonders wichtig, da
lernt man auch alle Kinder kennen.
Lorenz:
Und Eier?
Kati:
Über Eier wurde lange diskutiert. Ab und zu, haben wir beschlossen. Da gibt es
eine Liste, da kann man das eintragen, damit es nicht zu oft Eier in einer
Woche gibt.
Margarethe:
Fisch ist viel wichtiger als Ei.
Kati:
Wir haben das diskutiert.
Lorenz:
Freilandeier?
Kati:
Bio-Eier.
Lorenz:
Ich kaufe immer bei Bröggel, direkt Hofverkauf. Die sind zwar als Freiland
deklariert, aber den Hühnern geht’s da wirklich gut.
Kati:
Bio-Eier.
Agnes:
Und einmal die Woche wird ein Ausflug gemacht, in den Wald oder zu einem
Bauernhof, jeden Mittwoch, also wenn das Wetter das zulässt. Wir haben im
letzten Jahr Lama-Trekking gemacht, mit echten Lamas durch die Felder.
Ulrike:
Jede Woche Lama-Trekking?
Agnes:
Nein, also jede Woche ein Ausflug, aber nur wenn das Wetter das zulässt.
Lorenz:
Dann könnten wir einen Ausflug zu Bröggel machen, dann könntet ihr sehen, wie
gut es da den Hühnern geht.
Kati:
Ausflüge nur zu Biobauernhöfen.
Agnes:
Zu den Ausflügen dürfen dann alle Eltern mitkommen, das ist keine Pflicht, aber
das ist so schön und dann ist es einfacher.
Margarethe:
Aber die Elterndienste alle zwei Wochen sind Pflicht?
Agnes:
Ja, natürlich, das geht ja nicht anders.
Margarethe:
Und wenn ich da nicht kann?
Agnes:
Bei Krankheit gibt’s Ersatz, das ist gar kein Problem, da muss man sich nicht
quälen. Wir haben eine Telefonliste, die ist superpraktisch.
Margarethe:
Und wenn ich arbeiten muss? Ich muss vormittags oft arbeiten, manchmal
Nachtschicht.
Agnes:
Dann kommt einfach dein Mann.
Margarethe:
Das geht nicht.
Agnes:
Man muss das schon wollen, ich habe auch manchmal Tage, an denen ich keine Lust
habe, man muss schon das Beste für die Kinder wollen. Mein Mann sagt: Ohne
unsern Fleiß gewinnen die Kinder keinen Preis.
Margarethe:
Ach so?!
Agnes:
Dann muss dein Mann vielleicht mal kürzer treten, das muss man schon wollen.
Mein Mann lässt seine Praxis einen ganzen Vormittag geschlossen, das geht auch.
Hat uns gutgetan.
Kati:
Wer seine Zeit dafür nicht hergeben will, der ist hier falsch.
Lorenz:
Ich könnte einen Mathekurs machen, Mathe ist wichtig, ich bin ja Mathelehrer.
Ganz spielerisch würde ich das machen. Das wär doch nicht schlecht, oder?!
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