Ich war, das ist schon ein paar Jahre her, auf einem Live-Konzert von PeterLicht in Hannover. Ein wunderbarer Abend in einem Raum der Universität, in dem vorher ein wirtschaftswissenschaftliches Seminar stattgefunden hatte. Eine bessere Atmosphäre war also kaum vorstellbar. Herr PeterLicht dozierte dann eher kapitalismuskritisch. Die Schaubilder, die von vorangegangenen Kursen noch auf der Tafel zu sehen waren, schienen in eine andere Richtung zu gehen. Vom „Ende des Kapitalismus“ hatte dieser vorangegangene Dozent möglicherweise noch nie etwas gehört. Wie das so ist an den Fakultäten: der eine sagt so, der andere so.
Handzettel
wurden während des Konzerts zwischen zwei Liedern verteilt, um mitzusingen. Ein
Lied von dem Album „14 Lieder“. Der Titel: „Wir sind jung und machen uns Sorgen
über unsere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“. Das klingt sperrig. Der Text besteht
aus mühsam in Verse gehauener Prosa. Bis der Refrain, tja, anhebt, möchte ich
mal sagen, und dieser sollte mitgesungen werden: „Wir machen uns eben Sorgen
über unsere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.“
Wie singt man
das mit? Also mit welcher Haltung. Da konnte ich die Doppelbödigkeit unmittelbar
spüren. Ja, vielleicht macht man sich Sorgen. Kann sein. Ist das dann die Hymne
der Besorgten? Beginnen die verdi-Sitzungen mit diesem gemeinsamen Liedchen?
In der ersten
Strophe heißt es:
„momentan da geht's ja noch,
weil unsere Ansprüche noch niedrig
sind,
aber später wollen wir uns
ja
auch mal was gönnen können“
Wer spricht hier? Ein ‚wir‘ offenbar, ein ‚wir‘, das im Konzert gemeinsam den Refrain singt. Aber wer ist das? Vielleicht war ich das damals, als ich vielleicht tatsächlich besorgt war über mögliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Und ja, gönnen will ich mir auch was.
Das entlarvt.
Es trifft einen Nerv, aber indem er so einfach angesprochen wird, indem man so
simpel getroffen wird, geht man auf Distanz. Das Lied tut so, als würde es die
Sorgen der Hörer kennen und genauso wiedergeben, wie sie diese selbst äußern
würden. Nicht künstlerisch geformt, sondern quasi zitiert. Diese Einfachheit
ist das Vertrackte.
Und in der
zweiten Strophe:
„denn es ist wichtig, sich auch mal
was leisten zu können,
damit der Alltag, der grau ist,
dadurch
ein bisschen abwechslungsreicher gestaltet
werden kann,
damit wir auch mal die Seele baumeln
lassen können, wenn das gefährdet ist,
dann finden wir das nicht gut und sind
enttäuscht“
Das ist
larmoyant, das sind nur Spießer-Sorgen. Da weht kein revolutionärer Wind durch
diese Zeilen. Aber trotzdem: Es ist auch nicht nur Entlarven: Da hört mal, so
billige Sorgen habt ihr, so klingt ihr, Beckmann würde seine Hand auf Eure
legen, so klingt das. Nein, man kann das auch ernst mitsingen. Es ist ernst, und
es ist selbstironisch.
Diese
Selbstironie sangen wir also mit, als der Dozent uns aufforderte. Die
Wirtschaftswissenschaften, das weiß man seit ein paar Jahren, haben ja einen
ausgeprägten Hang zur Komik, Ironie und spaßhaften Lüge.
Das Konzert
war, wie gesagt, sehr schön! PeterLicht, der gerade eine Finanzierung für ein
Livealbum sucht, braucht übrigens noch Unterstützer: http://www.startnext.de/peterlicht-live-album
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