Der aufmerksame Leser und die fernsehserienaffine Leserin werden es sich gleich gedacht haben: Ich schaue derzeit die US-Fernsehserie „Breaking Bad“. Es geht um einen Chemielehrer in der Südstaaten-Provinz-Metropole Albuquerque, der an Lungenkrebs erkrankt. Da seine kleine Lehrerstelle finanziell kaum ausreicht, und er seiner Familie gern etwas Geld hinterlassen würde, denn seine Prognose ist schlecht, beginnt er, die Designer-Droge Crystal Meth herzustellen. Das ist doch mal ein guter Grund. Eine solche kriminelle Karriere ohne vermurkste Kindheit – dass das im Fernsehen möglich ist!
Nun lässt sich
die Geschichte aus Sicht dieses Blogs teilweise als Ausgang aus der Spießigkeit
nacherzählen. Der Lehrer, Dr. White, ist ein Spießer. Sein ehemaliger Schüler,
dann Kompagnon, Jesse Pinkman, bezeichnet ihn – in der deutschen Übersetzung –
auch als solchen. Mit dem Arbeitseintritt als Drogenspezialist endet diese
Spießigkeit. Zwar nimmt er die Droge selbst gar nicht, aber sein Leben wird teilweise
rauschhaft, ungezähmt, unberechenbar – ja, und auch verlogen, brutal, unmoralisch.
Offenbar,
sobald man sich für eine Karriere als Drogenbaron entscheidet, ist es aus mit
der Spießigkeit. Aber der Ausgang aus der Spießigkeit ist der Eingang in die
Kriminalität. Der Umkehrschluss wäre allerdings falsch: Spießigkeit schützt vor
Kriminalität nicht, nur vor manchen kriminellen Taten, wie zum Beispiel
Drogenverkauf im großen Stil. Das, so zeigt die Serie, verträgt sich schlecht
mit dem spießigen Lebenswandel.
So manches ist
in der Serie überzeichnet. Nun, seine Frau ist schwanger, der Sohn hat eine
Behinderung, dann die eigene Krebsdiagnose: Es kommt alles zusammen. Da das
Geld knapp ist, wäscht Walter White zunächst nebenbei Autos, wo er den Wagen
eines Schülers putzen soll, das ist dem ein Handyfoto wert. Fast wäre er allerdings
Topverdiener geworden, ein ehemaliger Studienkollege hat die
Forschungsergebnisse von White für eine eigene Firma übernommen. So wirkt der
Fall noch tiefer, denn er hat den finanziellen Erfolg von Ferne gesehen. Dass
nun auch noch sein Schwager bei der Drogenfahndung arbeitet, das ist nicht
zufällig, sondern bringt White überhaupt erst auf die Idee – trotzdem: da kommt
viel dramaturgischer Stoff zusammen. Das reicht dann – sogar bei hohem Tempo – für
eine Serie.
In der Serie
ist manches überzeichnet, dennoch sind die psychischen Vorgänge der Hauptpersonen
interessant. Walter White legt seine Spießigkeit ab, als er versteht, dass er
möglicherweise nicht mehr lange zu leben hat. Dass er nichts zu verlieren hat,
wäre falsch. Er hat keine Wahl – das wäre ganz falsch. Plötzlich will er
Entscheidungen treffen, wogegen vorher alles in festen Bahnen verlief. Nun will
er entscheiden, wie er mit der Diagnose umgeht, er entscheidet sich für eine kriminelle
Laufbahn usw. Er nimmt zu diesem Zeitpunkt die Risiken in Kauf. Sobald er unter
diesen Druck gerät, will er etwas in die Hand nehmen, will er handeln. Auf dem
Grund dieses Handelns ist wieder die kierkegaardsche Phantasie zu sehen.
Drogen sind
sehr böse und Krebs tut dem Menschen wahrlich auch nichts Gutes. Und lieber bis
zum Ende Spießbürger bleiben und nicht zum Serienheld werden, als einen Doktor
der Chemie zu fragen, wie man eine Leiche loswird. Damit sollte allen möglichen
Missverständnissen vorgebeugt sein.
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