Montag, 21. Oktober 2013

Verteidigung gegen Harry Luck


Erneut fühle ich mich genötigt, mein Blog zu verteidigen. Nun werden ganze Bücher verfasst, die offenbar direkt die Bedeutung meines Blogs herabsetzen wollen. Harry Luck hat ein Buch veröffentlicht mit dem Titel „Wie spießig ist das denn? Warum Filterkaffee, Kurzarmhemden und Pauschalurlaub uns trotzdem glücklich machen“. Nein, das Buch habe ich nicht gelesen, nein, ich werde es auch nicht lesen. Ein Interview mit ihm in der Stuttgarter Zeitung hat mir gereicht. Vollkommen.

Nun ist es schon einmal recht interessant zu wissen, dass hier ein katholischer Krimiautor sich aufschwingt, das Spießertum endgültig zu rehabilitieren. Wer denn sonst? Mag ihm vielleicht ein Schlagersänger mit Jagdschein noch zur Seite springen? 

Ach, schön wäre es gewesen, Luck hätte sich über den Typus des Spießers ein wenig mehr Gedanken gemacht bevor er begann, das Buch zu schreiben, oder spätestens am Tage bevor er der Stuttgarter Zeitung ein Interview gab, um es zu vermarkten. So jedenfalls mein Eindruck. Luck erläutert: „Der intelligente Spießer zeigt ein gesundes Selbstbewusstsein gegen den Trend und die Marschbefehle der Hipster und Modepäpste.“ Aber, Herr Luck, dann ist er doch keiner. Sie wollen den Spießer mit Reflexion, mit Toleranz, mit ordentlichem Selbstbewusstsein, einen Spießer gegen den Mainstream. Ja, bitte, den nehme ich gerne. Aber müssen wir den denn Spießer nennen? Mögen Sie kurzärmlich glücklich werden, ich bin sicher, das geht. Mit Ihrem Selbstbewusstsein, meine Güte.
Aber nie, nie, nie ging es in letzter Konsequenz um die Anzeichen des Spießertums. Der Spießbürger kann sich über bestimmte Zeichen als Spießbürger verraten, mehr nicht. Ja, der Meinung bin ich auch: Filterkaffe macht weder unglücklich noch nimmt der Trinker am Morgen geistigen Totalschaden. Er wird wach. Das macht der Kaffee, Herr Luck, viel mehr kann selbst die stärkste Brühe nicht bewirken.

Die eigentliche Stoßrichtung von Luck ist eine ganz andere. Er sagt: „Mein Buch ist ein Appell an Eierlikörtrinker und Kurzarmhemdträger, sich zu den Dingen zu bekennen, die sie gerne tun, ohne sich zu schämen.“ Genau. Etwas tun zu können, das irgendwie verpönt ist, ohne sich schämen zu müssen. Aber das hat mit Spießigkeit nur am Rande zu tun. Da fielen mir auch andere Dinge ein, die irgendwie verpönt sind und für die man sich schämen soll in unserer Gesellschaft. Wer sich nach dem Toilettengang nicht die Hände wäscht beispielsweise, der tut etwas Verpöntes. Und er schämt sich möglicherweise, vielleicht aber auch nicht. Nun gibt es offenbar Dinge, für die Herr Luck sich schämt, weil sie in dem Ruf stehen, spießig zu sein. Die Scham soll weg. Damit schafft er aber nicht das Spießertum ab. Der Spießer hat diese Probleme doch gar nicht. Wer schämt sich denn für seinen Jägerzaun? Also bitte.

Auffallend ist aber: Mein Blog scheint irgendwie aus der Zeit zu fallen. Wer derzeit über den Spießer schreibt, meint ihn ironisch, oder er will zeigen, dass der Spießer tatsächlich cool ist, oder, dass im Grunde jeder spießig ist, also niemand. Dann müsste ich meine kleine Polemik gegen Herrn Luck zurücknehmen und anerkennen: Der Begriff ‚Spießer‘ ist kaputt. Er taugt nicht mehr zur Abgrenzung, wie er es einmal tat. Ganz so weit bin ich heute Abend noch nicht.

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