Im Urlaub sind wir alle Spießer – so ungefähr kann ich einige Argumente einer Diskussion um mein Blog zusammenfassen. Den Spießer gibt es also gar nicht, mal bin ich einer, mal du, mal der Protzbischof Tebartz-van Elst und mal Claudia Roth. Ach nein, die ja nicht, die hat einen Gartenzwerg.
Jedenfalls
wäre aus meiner kleinen Beispielgeschichte die Luft herausgelassen. Leander und
Mark unterhielten sich angeregt über den vergangenen Urlaub, und mir kam der
Verdacht, das könnte doch spießig gewesen sein, wie die da reden. Die Umstände
zurechtbiegen, das Andere ausgrenzen, das Fremde verdächtigen. Das, so schien
es mir, dürfte ich spießig nennen. Oder sind wir im Urlaub alle Spießer? Dann müsste
ich mich bei meinen beiden Figuren wohl entschuldigen.
Die
Beobachtung, die dahinter steht, ist sehr treffend: Im Urlaub will man es schön
haben. Bestimmten Auseinandersetzungen geht man lieber aus dem Weg. Wer den
Großstadtlärm zu Hause nicht mehr erträgt, wird eher in der Uckermark Urlaub
machen als in Mexico City. Der Lehrer, von seinen Schülern gerade genervt,
verbringt die sechs Wochen Sommerferien nicht in einer Jugendherberge. Seinen
Urlaub will man dort verbringen, wo es angenehm ist, das heißt, wo sich viele solcher
Menschen tummeln, wie man selbst einer ist. Das könnte so aussehen:
Oliver Lipp: Ballermann 6, auf Wikimedia
Oder
so:
Cactus26: Venediger Seilschaft, auf Wikimedia
Ist
das eine spießig und das andere nicht. Oder beides? Oder beides nicht? Denn
offenbar geht es den Urlaubern darum, mit Gleichgesinnten zusammen zu sein. Das
wäre normal und nicht spießig, denn zumindest im Urlaub will man doch keine
bösen Überraschungen. Nein, man will gar keine Überraschungen. Gerade der
Urlaub soll frei bleiben vom Unerwarteten, na der Ausblick vom Hotel darf noch
schöner sein, als ich ihn mir vorgestellt habe. Und, Mensch, das gibt’s doch
gar nicht, der Pool ist schon fertig, bei Google-Maps waren da noch die Bagger und
ein großes Loch – toll! Aber ohne holidaycheck buche ich ungern, man
muss doch wenigstens wissen, ob die Matratzen in der Pension mit Federkern
sind.
Von
hier aus lässt sich nun gut in die Klage einstimmen: Echtes Reisen – das ist
vorbei! Das geht nicht mehr! Klagen will ich aber gar nicht, eher feststellen: Früher
hatte Urlaub tendenziell etwas von Fremde; heute kaum. Fremd ist es nur für den
Schlecht-Informierten.
So
einfach ist es natürlich nicht, und es gibt auch Unterschiede. Die Kreuzfahrt,
die Alpenüberquerung zu Fuß – das sind Unterschiede. Man würde so im Großen und
Ganzen durchaus unterschiedliche Geisteshaltungen dahinter vermuten.
Aber
was ist mit den Mallorca-Urlaubern auf dem Bild? Der kleine Mann, der in Herne eine
Sparkasse leitet, will einmal seinen Kopf freibekommen, untertauchen im Gewühl,
ja auch im Alkohol und Tanzen, was er schrecklich schlecht beherrscht, und zwar
ohne dass ihn jemand erkennt. Das Studentenpärchen verlängert ein
Partysemester, tauscht den Hintergrund aus: sonst umgebaute Industriehallen,
nun Strand und Meer. Und die zwei Frauen? Die machen Wanderurlaub, sie wollten
nur einmal den Ballermann erleben. Kennt doch jeder, einfach mal sehen, wie das
da so ist, da am Ballermann.
Vom
Urlaub lässt sich offenbar schlecht auf irgendetwas schließen. Die Zeichen
trügen. Hier besonders.
Die
Differenzen sind feiner. Die Vorurteile, die Verdächtigungen des Fremden: das
möchte ich nach wie vor als ein gutes Beispiel ansehen. Der Spießer mag seinen
Wohnwagen an den Emmerstausee fahren oder bis nach Albanien, er findet das
Fremde, das er weghaben will, überall.
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