Gedenken ist ein schwieriger Sport, zumal in Deutschland dem großen, vielleicht allergrößten Gedenkland. Da gibt es Denkmale fürs kurze Innehaltgedenken, Mahnmale für das Tiefstgedenken an besonderen Feiertagen und Muttermale für den Muttertag. In Deutschland gibt es besonders viel, dessen gedacht werden muss, aber das macht es nicht einfacher. Denn der Gedenksport wird nicht, wie zum Beispiel die Turnübung am Reck, mit jeder Wiederholung einfacher. Die Zunge fabriziert nicht mit jeder Gedenkübung lockerer die gedenkenden Worte, der Kranz fliegt nicht flotter und weiter auf das Soldatengrab. Im Gegenteil, das Gedenken wird eher schwieriger, je öfter es geübt wird.
Zwei
Weltkriege sind jedenfalls mindestens einer, eigentlich eher zwei, zu viel. Das
muss mühsam verarbeitet und immer wieder be- und gedacht werden. Vor einigen
Wochen startete Oliver Hirschbiegels Film „Elser“ über den Widerständler Georg
Elser, der ein Attentat auf Adolf Hitler durchführte, das – Spoiler – keinen Erfolg
hatte. Im Zusammenhang mit diesem Film, den ich nicht kenne, kam hier und dort
wieder Deutschlands schwierige Geschichte mit seiner Geschichtsverarbeitung zu
Wort. Denn nicht genug, dass Widerständler oder Exilanten in der NS-Zeit nicht
so gut gelitten waren – was aus der Logik des Regimes wenig überraschend ist
–, sie wurden auch später angefeindet oder ignoriert, als längst Demokratie und
Sonnenschein auf Adenauers Agenda stand.
Georg
Elser wurde erst sehr langsam rehabilitiert. Wolfgang Schäuble hat das in einer
Rede 2008 reflektiert:
„Wir Deutschen haben uns
mit dem Widerstand schwer getan. Das mag mit einem Abwehrmechanismus zu tun
haben, der aus der eigenen Schuld resultiert und einem Bedürfnis, das
Geschehene zu verdrängen. Es fiel nicht leicht anzuerkennen, dass es Menschen
gab, die ein klareres Urteil und den Mut hatten, sich dem Hitler-Regime zu
widersetzen. Das gilt schon für Stauffenberg und seine Mitverschwörer. Das gilt
aber noch viel mehr für Elser, den schwäbischen Handwerker, der viel früher ein
klares Urteil fasst und einfach handelt.
Georg Elser stand lange
Zeit nicht nur am Rande der öffentlichen Aufmerksamkeit, sondern war stummes
Opfer unterschiedlicher Diffamierungen. Heute endlich erinnern wir uns mit Dank
an Georg Elser.“
Soweit, so gut. Auch wenn
Schäubles Worte vielleicht etwas zu freundlich daherkommen, er trifft schon ziemlich
den Kern. Aber dann setzt er fort:
„Er [G. Elser] gehört zu
denen, die es uns leichter machen, auf die Geschichte unseres Landes zurück und
hoffnungsvoll nach vorne zu blicken.“
So endet die Rede mit
diesem hoffnungsvollen Blick zurück und nach vorn. Hoffnung überall. Moment, wie
bitte? Das ist atemberaubend schnell geschlossen. Von der Scham über allzu
viele Menschen, die Elser zunächst diffamierten, hin zur Hoffnung, die über uns
aufgeht, weil die Geschichtsschreibung irgendwann doch gegenüber den Hetzern Recht
behält?! Da komme ich nicht wirklich mit. Sind wir Georg Elsers legitime
Nachfahren, oder wie? Haben wir Hoffnung, weil es immer einen klugen Schwaben
gibt, der den Kopf schon für alle anderen hinhalten wird?
Obwohl Schäuble es ja
sagt, Deutschland sei nicht das Land, das seine Widerständler feiert, wir heißen
nicht Stauffenberg oder Elser, schließt er nichts daraus. Das ist Gedenken als Anteilnahme,
als Seinen-Anteil-Nehmen. Da läuft eine klare Linie von Elser zu uns, die wir heute
an ihn denken und Hoffnung schöpfen. A bissle was vom Elser lässt sich doch
leicht für die CDU abschneiden, die, das ist anzunehmen, wenn es sie denn damals
schon gegeben hätte, mit einem Hitler spielend fertiggeworden wäre.
Vorsicht beim Gedenksport,
das galt zuletzt zum Beispiel auch für die Grass-Gedenkfeiern und Beiseins-Bekundungen
hier und dort, und das wusste schon Jesus von Nazareth:
„Weh euch, Schriftgelehrte
und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr den Propheten Grabmäler baut und die
Gräber der Gerechten schmückt und sprecht: Hätten wir zu Zeiten unserer Väter
gelebt, so wären wir nicht mit ihnen schuldig geworden am Blut der Propheten! Damit
bezeugt ihr von euch selbst, dass ihr Kinder derer seid, die die Propheten
getötet haben.“
Quellen:
http://www.wolfgang-schaeuble.de/index.php?id=30&textid=1215&page=12
Bibelzitat: Mt. 23, 29-31,
Lutherbibel 1984.
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