Ich stehe etwas ratlos vorm Jägerzaun. Als vor etwa zwei Jahren ein verklinkerter Anbau mit Möbeln vollgestellt wurde, die ich unfehlbar als meine erkannte, lag das Thema für mich irgendwie auf der Hand: Die neue Spießigkeit.
Nun läuft sich
zum einen so ein Thema irgendwann tot, was nicht an den Spießern liegt, die
durch vegane Ernährung sowieso nahezu unsterblich sind, sondern an mir, dem
beim Nachdenken über Soja-Bratlinge mittlerweile so schlecht wird wie beim
Essen derselben. Zum anderen habe ich von Freunden freundlicherweise ein Buch
geschenkt bekommen, das meinen Blog geradezu überflüssig macht: „Der Moderne
Spießer“ von Charlotte Förster und Justus Loring. Das trifft sich gut, so kann
ich mit einer kurzen Besprechung dieses Buches nicht das Ende dieses Blogs
verkünden, aber immerhin ein paar Veränderungen.
„Der Moderne
Spiesser“ ist über weite Strecken sehr witzig, bereits die Zitate, die auf dem
Cover abgedruckt sind, zeigen, in welche Richtung es geht, wie „Filme, die man
echt im Original sehen muß, damit sie richtig wirken“ oder „‘Das Hinterland
Mallorcas hat wirklich schöne Ecken‘ und andere entzückende Erkenntnisse“. Oder
die Manufactum-Anspielung: „Es gibt sie noch, die guten Bücher.“
Ertappen ist
das Prinzip des Buches: Das scheinbar Individuelle, die scheinbare Erkenntnis
dieser Sätze, die so formuliert sind, als würden sie Überraschungen aussprechen,
wird gerade als das Typische des Spießers gezeigt. Die Definition des modernen
Spießers liefe also auf den Auf-Einem-Allgemeinplatz-Ertappten hinaus. Programmkinoschauer
werden aufs Korn genommen genauso wie die Tatort-Gucker.
Das ist ein –
auch selbstironisches – Spiel der Autoren, das reichlich Material böte, um
daraus irgendein „Generation Y, Doof, Maybe, Golf“-Buch zu stricken. Es bleibt
allerdings ein Spiel, das sich keinesfalls zu einer – auch nicht ironischen –
Haltung durchringt. Die Ordnung des Spießers, die kommt nicht allzu gut weg,
wie bei den „Spießerutensilien, die in keinem Haushalt fehlen dürfen“. Dort ist
zum Beispiel die: „Bananenbox aus Plastik. So kommt der gesunde Snack
unzerquetscht im Büro an.“
Zu viel
Ordnung ist lächerlich. Der Spießer als der allzu Ordentliche. Doch am Ende
nehmen wir ihn wieder herzlich in die Arme, denn wir wurden ebenfalls oft genug
ertappt. Sei es auf Mallorca, sei es mit dem Kaffeebecher einer Universität in
der Hand, wo wir einst ein Auslandssemester verbrachten. Zu vielfältig sind die
Zeichen dieses Spießertums, als das am Ende jemand übrigbliebe, der mit dem
Finger auf die anderen zeigen könnte. Das ist so gewollt – und zeigt eben die
selbstkritische Haltung der Autoren, aber wenn wir alle einmal über uns gelacht
haben, ist hier jedes kritische Potenzial endgültig verflogen.
Nicht
unbedingt spießig, aber lustig sind die Bemerkungen oftmals schon, wie die
Sätze, die den spießigen Chef kennzeichnen sollen: „… das hätte ich fast nicht
besser machen können.“ Oder: „Diese E-Mail nicht vor Montagmorgen lesen.“ Oder:
„Ich mag Querdenker und Visionäre in meinem Team – Leute wie uns gibt es
selten.“ Etc.
Die
vermeintlichen Zeichen der Spießigkeit, wie der alte Jägerzaun, der
Bausparvertrag oder – etwas neospießiger – der Buddha, haben sich mit diesem
Buch erledigt. Was sich in meinen letzten Posts bereits immer wieder
abzeichnete, werde ich hier nun verstärkt vornehmen: Buchbesprechungen. Vor
allem von Büchern der kleineren Verlage. Und hin und wieder ein paar andere
Bemerkungen. Damit darf ich mich ebenfalls zu den Ertappten zählen: Ich werde
jetzt einen Literaturblog machen. – Das geht locker als Zeichen einer modernen
Spießigkeit nach Förster und Loring durch.
Charlotte Förster u.
Justus Loring: Der Moderne Spiesser, Stuttgart: Cotta’sche Buchhandlung 2014.
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