Donnerstag, 21. November 2013

Expressionisten und Bürger (4)


Das Resümee am Ende dieser kleinen Reihe ist schnell angefertigt: Der Expressionismus war antibürgerlich. Das lässt sich zivilisationskritisch verstehen, denn so wie der Bürger sollte der Mensch eigentlich nicht sein. Theodor Haubach, ein weiterer Expressionist, schreibt ganz in diesem Sinne: „Bürger: d.i. kümmerlicher Mensch mit vermoosten Horizonten, enger begrenzter Nörgler am Leben, Sattzufriedener oder hämischer Besserer (hierher alle Reformer), ein Blutloser, Ordnungssüchtiger, Feind aller Höhen und Tiefen, Vergreister, Steriler, Botmäßiger, nie ganz Reiner, nie ganz Böser.“

Das ganze lässt sich aber auch als Provokation der jungen Künstler lesen. Eine neue Kunstrichtung entsteht und sie bekommt Profil, weil sie sich abgrenzt. Das Alte soll nun alt aussehen. Wer die junge, neue Kunst ablehnt, muss dann folgerichtig einen begrenzten Horizont haben, er ist gestrig, ein Nörgler und vieles mehr. Natürlich, man darf den Expressionisten glauben, dass sie die alte Bürgerlichkeit nicht mehr wollten. Aber zugleich ging es ihnen ganz prächtig damit. Klare Freund/Feind-Linien, hier die Künstler, drüben die Spießer.

So funktioniert Kunst in der Moderne, könnte man sagen. Und es ist wohl nicht lange her, da hätten viele brav zustimmend die Köpfe genickt. Neue Kunst wird immer verkannt, setzt sich gegen das alte durch, indem es dieses niedermacht. Das haben sich die Expressionisten nicht ausgedacht und sie waren auch nicht die letzten, die das ausprobierten (erstaunlich konsequent waren sie allerdings).

Heute funktioniert Kunst offensichtlich anders. Hanno Rauterberg durfte das in der letzten Woche auf der Titelseite der ZEIT darlegen. Jeff Koons lustiger Ballon-Hund wurde für 43 Millionen Dollar versteigert. Nun, über die absurden Preise, die auf dem Kunstmarkt gezahlt werden, wundert sich niemand mehr, soll das Geld doch dahin fließen, der „Balloon Dog“ beißt keine Kinder.

Der weltberühmte Jeff Koons oder doch der freundliche Herr Konemann aus der Sparkasse Lüdenscheid?
Bild von David Shankbone, Quelle: Wikimedia.

Aber Hanno Rauterberg trifft es ganz genau, wenn er schreibt, das sei überhaupt erst Kunst, weil sie teuer ist. Der Preis macht die Kunst, verleiht ihr den „scheinbar überzeitlichen Rang“. Ist ja auch viel praktischer: Noch zeitlebens in die Riege mit Munch und Kandinsky aufgenommen zu werden und nicht erst sich durchsetzen müssen; nicht erst alle provozieren und den Bürgerschreck spielen; nicht erst eine neue Ästhetik den anderen aufzwingen wollen; nicht erst lamentieren, das niemand einen verstehe – um dann eine Generation später vom Establishment geschluckt zu werden.

Wer jetzt „Stimmt!“ denkt, der hat etwas nicht verstanden

Quellen: das Zitat von Haubach nach Thomas Anz: Literatur des Expressionismus, Stuttgart, Weimar: Metzler 2010.
Hanno Rauterberg: Ein Miliionenpudel, in: DIE ZEIT, 14.11.2013. 

4 Kommentare:

  1. Wäre eine intentionslose Kunst der Weg aus der Spießerfalle? Eine, die sich nicht erklärt oder - noch schlimmer - erklären lässt? Der behauptete Bürgerschreck jedenfalls zieht, wie du richtig siehst, schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Mir wurde das klar, nachdem ich Dadaismus in der Werbung entdeckte ("Sei dudu - Fanta")

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  2. Das ist natürlich eher eine Frage an einen Künstler, als an einen jemanden, der Kunst interpretieren will :-)
    Ich glaube aber, das Nicht-Erklären-Können reicht auch nicht unbedingt. In der Literatur kann das noch ziemlich verstören - man spiele mal Schwitters Ur-Sonate in einem Germanistik-Seminar. Das verschreckt auch heute noch! Literatur wird immer noch auf Sinn festgelegt (die Fanta-Werbung kommt ja viel zu gefällig daher...) Aber in der bildenden Kunst?? Da bin ich skeptisch. Da gibt es genug Beispiele von Kunstwerken, die sich vorderhand entziehen, aber trotzdem auf dem Markt beste Preise erzielen. Der Preis gibt dann - so Rauterberg - eben der Kunst den Sinn. Wenn das Ding teuer war, muss mans gar nicht mehr erklären.
    Sich der Martkgängigkeit radikal entziehen; das wäre schon was. Aber der Künstler will ja auch leben und zwar besser gut als schlecht. Das ist ja eigentlich nicht verwerflich. Aber wenn ein Künstler für einen Milliardär eine Yacht anmalt, dann ist das keine Kunst mehr, die irgendetwas mit Klassischer Moderne zu tun hat. Das ist etwas anderes geworden.

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  3. Hallo, sorry für das verspätete Antworten. Mir ging es um intentionslose Kunst, erklärbar kann sie dennoch sein. Erklärbar im Sinne von: Ich kann mir einen Reim darauf machen und manchmal ist ja auch Ungereimtes schön....

    Ist Koons wirklich nur teuer? Gab es da nicht doch den einen oder anderen Feuilleton-Sekundanten, der den Preis in die Höhe trieb? Möglicherweise in Personalunion mit einem Spekulanten? Aber diese Zweckunterstellung ist dann vielleicht doch zu billig. Nun, man wird fragen dürfen..

    Grüße.

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  4. Intentionslos... tjaa, ein schwieriges Konzept. Mir fällt dazu, offen gesagt, nichts kluges in Bezug auf den Spießer ein....

    Koons nur teuer: Nein bestimmt nicht. Da hast Du Recht. Das initiale Interesse an seiner Kunst muss woanders herrühren. Aber das greift schon tiefer, was Rauterberg schreibt. Der Preis scheint die Kunst zu legitimieren. In der Literatur galt lange Zeit ein Verhältnis genau andersherum: Wenn es sich gut verkauft, kann es nur Schrott sein. Das war natürlich auch zu einseitig (was man immer wusste). Aber die Richtung hat sich komplett gedreht. Gerade weil es sich gut verkauft, soll es gut sein!! Das ist schon stark! Ja, dann ist es guter Pop, aber noch lange keine gute Kunst. (Aber das wird behauptet, das erhebt die Kunst Koons über die Werke anderer...)

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