Regional, schrieb ich, soll die Welt retten. Und „Landlust“ heißt das Magazin für den Weltenretter. Regional boomt, Weltenrettung boomt, Landlust boomt. „Baummörder“ ist hier an eine Hauswand gesprüht. Alte Bäume mussten an dieser Stelle weichen, weil die Kanalisation umfassend in Stand gesetzt werden muss. Darf man denn Landschaftsgärtner „Mörder“ nennen?
Nun von der
Weltenrettung wird vor allem geträumt. Der Ami liest seinen Superhelden-Comic
und hat Obama, der Deutsche liest „Landlust“ und lebt in Duisburg. Ist das
gleiche. In der „ZEIT“ waren zwei Karten zu sehen, die die Veränderung zeigen,
wo Menschen vor zehn Jahren und wo sie heute wohnen wollen: Sie wohnen heute in der Schwarmstadt.
Wer am Hüinghausener Bahnhof aussteigt, hat nur noch ein Wort auf der Zunge: Provinz. Bild von Stefan Kunzmann auf Wikimedia.
Schwarmstadt nennt Felix Rohrbeck in dem Artikel die Städte, in die viele junge Menschen ziehen. Die Karten zeigen nicht einfach die Bevölkerungszunahme, was nahegelegen hätte, sondern den Anteil der Unter-35-Jährigen, der in der Stadt wohnt – bezogen auf die Zahl der Unter-35-Jährigen in Deutschland. Das klingt kompliziert, ist aber einleuchtend. In Deutschland ziehen, wenn überhaupt, nur junge Menschen um. Mit 40 tut sich das keiner mehr an. Wie die Manufactum-Teekanne sicher verstauen? Wie die Schrankwand abbauen? Zu kompliziert, sagen da viele ganz zu recht.
Zum Studium
kann man so einen Umzug ein-, vielleicht zweimal unternehmen. Dann ankommen,
bitte. Die Karten zeigen Veränderungen über die Zeit: Immer mehr junge Menschen
ziehen in einige wenige Städte, in der Provinz dagegen bleiben die Alten. Das
klingt, zugegeben, nicht überraschend, Universitätsstädte sind attraktiv, war schon
immer so. Einerseits hat sich das, so ist zu sehen, verschärft. Na gut, es
studieren ja immer mehr. Mit Geld und Zukunftsaussichten hat das längst nichts
mehr zu tun, Studieren ist halt toll. Nach drei Jahren
Kulturwissenschafts-Bachelor kann man alle mal noch seine Frisör-Ausbildung
machen. War mal andersherum, spricht aber nichts dagegen. Andererseits ist
nicht jede Universitätsstadt eine Schwarmstadt geworden. Was da genau
zusammenkommen muss, ist nicht leicht zu sagen. Eine regionale Verteilung ist
kaum auszumachen. Schwarmstädte sind in Nord, Ost, Süd und West zu finden. Auch
die Größe ist nur ein Faktor unter anderen, oder was macht Halle an der Saale
in dieser Liste?
Berlin,
Hamburg, München, Köln, Düsseldorf, Dresden und Leipzig. Darauf wäre ich gerade
noch allein gekommen. Aber was macht Halle da? Oder Bamberg? Und viele
Großstädte im Ruhrgebiet zum Beispiel sind nicht vertreten, trotz Universität. Mit
den Jobs, so ist weiter bei Rohrbeck zu lesen, hat das wenig zu tun. In Siegen
gibt es eine Uni, neue Jobs, aber keinen Schwarm. Ich glaube nun einfach, dass
die schöne Altstadt die Menschen anzieht. Bamberg, wo sonst will man leben?! Ästhetik
zählt halt mehr als Ökonomie! Weiß ja jeder.
Aber was ist
mit Regio? Kann man von Halle aus die Welt retten? Wenn alle aus der Provinz
fliehen? Habt ihr nicht lauter Facebook-Freunde, ihr jungen Menschen? Könntet
ihr nicht überall leben? Ihr braucht doch nur das Internet und habt alles, was
ihr euch wünscht, am Schreibtisch. Wozu nach Bamberg ziehen, schaut euch die
Bilder am Netz an. Das Rathaus wurde millionenfach fotografiert, ihr werdet es
nicht besser machen, wenn ihr es nochmal versucht.
Diese
Dialektik finde ich irgendwie beruhigend. Es wäre anzunehmen, dass die digitale
Generation, als Selbstversorger auf dem Bauernhof lebend, nur noch über das
Netz kommuniziert. Und genau so etwas passiert auch. Und es passiert genau das
Gegenteil, die Zusammenrottung der Gleichgesinnten in der Stadt.
Und wo bleibt
der Spießbürger? Ist er in der Provinz zurückgeblieben oder ist er nur noch
unter Gleichgesinnten in der Schwarmstadt ein gleichgeschaltetes Etwas? Weder
noch und sowohl als auch lautet mein vorläufiges Fazit.
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