Ich bin kein Vegetarier. Schon bevor überall Fleischfresser nach Entschuldigungen suchten, stand für mich fest: Leben ist sowieso Zerstörung. Es kommt auf das Maß an. Geringes Tierleiden finde ich wünschenswert, ein gutes Steak – auch wünschenswert. Wer keine Tiere essen mag, braucht das nicht. Jedenfalls werfe ich nicht mit Frikadellen nach Vegetariern.
Der
Spießbürger hätte gern dort ein Gesetz, wo seine Toleranz aufhört. Das stört
mich an den Siedlungen mit Autoverbot. Obwohl ich gerne in vielen Städten, die
ich besucht habe, größere autofreie Bereiche ausweisen würde und 30-Zonen in
den gesamten Innenstädten. Das gefiele mir. Das sind klare Verbote, und sie
sind trotzdem etwas anderes. Sie verschärfen eine Regel, aber sie regeln nicht
plötzlich in meinen Alltag hinein, wo ich bis eben noch ohne Gesetz bestens
auskam. Das allgemeine Tempolimit auf Autobahnen ist deshalb davon zu
unterscheiden. Noch gibt es Strecken, auf denen jeder seinen 106er Peugeot bis
zum Anschlag treten darf, mit einem allgemeinen Tempolimit fällt ein (sehr
kleiner) „rechtsfreier Raum“ weg.
Daraus lässt sich
nun wiederum keine Regel ableiten. Manchmal führen strengere und neue Gesetze
zu mehr Freiheit. Siedlungen, Dörfer und Kleinstädte am Mittelrhein
beispielsweise: Am Mittelrhein, da wo Hase und Loreley sich „Gute Nacht“ sagen,
fahren zu viele Züge. Bis zu 600 Züge fahren dort am Tag durch das Tal, wenn
diese Informationen stimmen. Das Sehnsuchtstal der Deutschen wird gebraucht, um
Dinge in Zügen hindurchzufahren. Je strenger die Gesetze hier eingriffen, desto
besser, würde ich meinen. Historische Dampflok und Draisine – das sollte doch reichen.
Aber wie
gesagt, es kommt auf das Maß an. Ich schrieb: Der Spießbürger hätte gern dort
ein Gesetz, wo seine Toleranz aufhört. Das stimmt so ebenfalls nicht. Am Ender
vieler Toleranzen finden sich – glücklicherweise – sehr viele Gesetze. Niemand
will, dass der eigene Treppenaufgang als Hundeklo benutzt wird. Und ich bin
beispielsweise nicht dafür, dass in Hallenbädern nackt gebadet werden darf.
Vieles, was halbwegs in Badesachen verpackt ist, möchte ich gar nicht sehen. Dieses
zweite Beispiel trifft es besser, denn mir geschähe nichts, wenn nun alle –
außer mir – in Hallenbädern nackt badeten. Meinen Treppenaufgang müsste ich
sauber machen, im Hallenbad bliebe ich verschont. Ich bin daran nicht gewöhnt,
und derzeit möchte ich mich nicht daran gewöhnen wollen.
Der aggressive
Neo-Spießbürger wäre in diesem Fall nicht der Traditionalist, der Konservative,
der auf seine Badehose nicht verzichten mag. Er ist derjenige, der seine Lebensweise
– man darf alles anziehen, nur keine Badehose – per Gesetz durchdrücken möchte.
Zurück zu den
Siedlungen. Ich bin zum Beispiel sehr für Regelungen, wie in einer Siedlung
gebaut werden darf. Hier zeigt sich ein großes Dilemma: Gäbe es mehr Menschen,
die stilsicher, mit einem Blick für die bauliche Umgebung ihr Häuschen planten,
dann wären die fein ziselierten Gesetze, in denen beispielsweise festgelegt ist, dass
die einzelnen Bretter eines Bretterzauns mindestens 8cm Abstand zueinander
wahren müssen, gar nicht nötig. Aber sie sind nötig. Bedauerlich nur, dass oft
die Stadtplaner ebenfalls wenig Stilsicherheit zeigen, und bei allem Streit
über 7 oder 8cm Lattenabstand zum Beispiel vergessen, dass der Hausabstand noch
mehr zum ästhetischen Gesamteindruck einer Siedlung beitragen könnte.
Ich bleibe
also skeptisch. Klar, es gibt in Neubausiedlungen großartige Häuser. Aber
schöne Siedlungen? Das sagt die Google-Bildersuche.
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