Muss doch nicht immer kritisch sein, das Fernsehprogramm. Lass uns mal zeigen, wie schön das hier ist in Nordrheinwestfalen. So schöne Siedlungen hier, echt. Muss doch auch möglich sein, mal ohne die ständige Kritikerbrille, ohne Genöle, ohne Genörgel. Nicht immer runterputzen, einfach gutfinden. „Machen wir doch ständig in den Öffentlich-Rechtlichen“, warf noch jemand ein, aber da war die Folge schon im Kasten. Ganz im Ernst: „Die beliebtesten Siedlungen in NRW“ lief im WDR.
Thomas Bug,
der durch die Sendung führt, wundert sich selbst über das Thema, spricht vom
Wunsch vieler Zuschauerinnen und Zuschauer endlich mal etwas zu den Siedlungen
zu machen. Kenne ich auch, manchmal weiß ich nicht, warum denn jetzt ausgerechnet
Wilhelm Busch? Und was wollte ich da schreiben? Ach egal, Text im Blog,
funktioniert!
Aber ich tue
der Sendung unrecht, so uninteressant ist das gar nicht. Eine Bunkersiedlung in
Kevelaer. Davon hatte ich noch nie gehört. Gute Idee, spannendes
Siedlungsprojekt. Und natürlich: Arbeitersiedlung im Ruhrgebiet folgt auf
Arbeitersiedlung im Ruhrgebiet. Ja, finde ich gut. Vor allem die Gartenstädte
sind historisch sehr spannende Projekte – und sehen immer noch ansprechend aus!
Stimmt, ist echt überall schön in NRW. Nordrheinwestfälischer Siedlungsbau ist
eine ästhetische Erfolgsgeschichte!
Was man so
ständig an Siedlungen durchfährt und wohin stolze Eigenheimbesitzer zu
Gartenpartys einladen, sieht doch ganz anders aus?! In der Sendung tauchen keine
klassischen Neubausiedlungen auf, überhaupt weniger Nachkriegsbau, als ich
erwartet hatte. Sennestadt ist auf dem 15. Platz, vier Stimmen, wenn ich das
richtig sehe, haben dafür gereicht. Dass Sennestadt mal ein, ja ja, klug durchdachtes
Bauprojekt war, das hatte ich schon gehört. Aber muss man Sennestadt auf diese
Weise würdigen? Ach ja, kritischer Journalismus war gestern und ist morgen dann
wieder. Also gut, ein Hoch auf Sennestadt.
Über die „Autofreie
Siedlung Weißenburg“ in Münster komme ich allerdings nicht so leicht hinweg.
Denn hier plant und siedelt er, der neue Spießer. Autofreie Siedlung klingt
erstmal gut. Klingt nach Feriendorf und klingt nach Münster, wo Autos sowieso
ständig in Gefahr sind, von einer Fahrradkolonne plattgewalzt zu werden. Und
klingt nach dem Gegenteil der „autogerechten Stadt“, die ja oft – also für
Menschen, nicht für Autos – ziemlich katastrophal ausfiel.
Autofreie
Siedlung Weißenburg heißt aber nicht bloß, dass hier keine Autos fahren. Also
wie eine autofreie Innenstadt. Das kennt man schon. Nein, hier ist das weiter
gedacht, die Menschen, die hier leben, sollen nicht nur ohne Auto in ihre
Siedlung fahren, sie sollen überhaupt kein Auto fahren. Dazu müssen sich die
Bewohner der Siedlung verpflichten.
Warum muss
denn eine gute Idee – keine Autos vor den Haustüren – ideologisch so
aufgeblasen werden, bis man die Welt in Gute und Sünder einteilen kann? In
solchen Momenten bin ich froh, dass ich Auto fahre, und ich wünschte, ich wäre
Raucher. Es war lange nicht mehr so einfach, sich wie James Dean zu fühlen.
Einmal (im Schritttempo, um keine Kinder zu gefährden) um die Weißenburg-Siedlung
fahren und hin und wieder aus dem Fenster aschen.
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