Alfred Werner ging nach draußen,
jemand hatte die Balkontür geöffnet, er zog die frische Luft für
den Moment der Kaffeetasse vor. Er hatte über die Wiener Moderne und
die Psychologie gesprochen, Hofmannsthal-Tagung, da konnte er mit
gemütlichem Nicken rechnen. Sein Lieblingsthema traf hier auf
Verständnis, war guter wissenschaftlicher Common Sense. Das hatten ihm auch die Blicke der Zuhörer gesagt.
Isabelle Gröblich trat auf ihn zu,
Werner ahnte Zuspruch für seinen Vortrag im Allgemeinen und Kritik
im Detail, die üblichen wissenschaftlichen Höflichkeiten. Sie
sagte: „Danke für den Vortrag, sehr klar und auch überraschende
Thesen. Aber dieser Maskulinismus, das hat mich geärgert, immer
wieder sagten Sie, die Autoren, die Schriftsteller, die Leser. Da
konnte ich irgendwann gar nicht mehr zuhören. Es gab ja auch Frauen
in Wien, sogar schon um 1900. Da können Sie jedenfalls von
ausgehen.“ „Jaja“, antwortete Werner, „die Frauen waren
genauso gemeint, Autorinnen und Autoren, Leserinnen und Leser. Dass
man jetzt schon mit einer Fußnote jedes Mal die grammatischen Regeln
erläutern muss: In die männliche Form sind die Frauen, bitteschön,
eingeschlossen.“ „Mich stört diese Ignoranz“, sagte Gröblich,
„dieser Sprach-Chauvinismus, Ihre sprachliche Unterdrückung der
Frau. Und ich verstehe gar nicht, wie Sie, als jemand, der mit
Sprache arbeitet, das nicht einsehen wollen. Die Frau wird geradezu
negiert, wenn Sie so reden.“ Werner blieb ruhig: „Falls Sie
weiter mit mir über gerechte Sprache diskutieren möchten, bitte ich
Sie, mich nicht weiter zu siezen, sondern zu erzen. Sie negieren
sonst, das möchte ich festhalten, meine Männlichkeit.“ „Jetzt
klingen Sie“, sagte Gröblich, „wie der pensionierte
Deutschlehrer, der behauptet, es sei doch Unsinn mit der ungerechten
Sprache, denn es heiße doch DIE Männer – und das sage er mir,
möchte ich anfügen, DER Frau.“
Diese Begebenheit hat sich
selbstverständlich so nicht zugetragen. Auf einer
Hofmannsthal-Tagung wird feiner, präziser, gewählter diskutiert.
Herr Alfred Werner – PD Dr. im übrigen – musste für eine kleine
akute Gereiztheit herhalten, und Frau Isabelle Gröblich,
Professorin, ebenso.
Im
Freitag wurde vor einer Woche der Schriftsteller Thomas Meinecke interviewt,
der nicht als Mann bezeichnet werden möchte, sondern dann schon eher
als Nicht-Mann. Nun ist es ja äußerst erfreulich, wenn ein
Schriftsteller sich anschickt, Sprachungerechtigkeiten anzugehen. Vor
allem einfach deshalb, weil das, was bisher aus feministischer
Perspektive vorgeschlagen wurde, soweit ich sehe, fast ausschließlich
grässliches Deutsch – oder, Kalauer, Herr Meinecke, Nicht-Deutsch
– ist: großes Binnen-I und Unterstrich, es tut mir Leid, das kann
doch keineR und KEINEr und keine(r) gewollt haben.
Also das wäre ja erfreulich, wenn da
ein paar witzige Ideen entstünden, wie bestimmte Muster
sprachspielerisch zu unterwandern wären. Kein Grund zu ärgern
hierbei also. Und über schlechte Sprache eigentlich auch nicht, wo käme man
und ich mit frau da hin – wer da nur anfinge mit dem Ärgern.
Mir wurde allerdings wieder allzu
deutlich, was für Scheingefechte da gefochten werden: Als
Schriftsteller, also als Autor, als männlicher Romancier, sich
hinzustellen und sich den weiblichen Blick zu attestieren, ach du
liebe Güte, das ist so originell wie der Herrenwitz im
Schützenverein.
Vor allem aber: Es ist eine
Diskussion, die soweit entfernt von dem ist, was die meisten –
Damen und Herren – in Deutschland ihre Realität nennen würden,
wie meine Wohnung von den Bildern in Architectural Digest. Trotzdem
schön darin zu blättern, aber mir soll nicht ständig jede
Besucherin diese Bilder unter die Nase reiben, wenn sie meine Wohnung
betritt. Über einen gewissen Genderei-Verdruss derzeit braucht man
sich nicht wundern.
Quellen: Für den "literarischen" Einstieg waren folgende Quellen bedeutsam (deren Argumente ich hier ausdrücklich gar nicht diskutiere):
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