Samstag, 14. Februar 2015

Durs Grünbein rechnet ab!



Dresdner Dichter haben derzeit die schönsten Namen: Grünbein, Rosenlöcher, Popp! Hier Durs Grünbein, Foto von dontworry auf Wikimedia.

Ausgerechnet von Durs Grünbein hätte ich so einen Artikel nicht erwartet. Grünbein zählt ja insgesamt eher zu den, man darf das wohl sagen, intellektuellen Dichtern. Böse Menschen würden vielleicht sagen, das ist Dichtung, für die man einen Uni-Abschluss braucht. Grünbein denkt in Sonetten, hat immer eine Seneca-Anspielung in petto, haut vorm Schlafengehen noch ne neue Aischylos-Übersetzung raus, weiß das doppelte von alles über Neuro-, Psycho-, Hirngedöns.

Und nun auf der ersten Seite des Feuilletons der ZEIT seine Abrechnung übertitelt mit: „Das Volk dieses Monster. Auf den Demonstrationen der Pegida offenbarte sich die Dresdner Seele. Eine Abrechnung mit der Mentalität meiner Heimatstadt.“ (ZEIT, vom 12.02.2015, nicht online, hier ein paar Gedanken dazu.)

Auf dem kleinen Grünbein-Porträt, das dem Artikel beigefügt ist, blickt er finster. Der Deus ex machina kommt, um unsere Welt in Ordnung zu bringen, so hoffen wir. Jetzt, am Ende des Stücks, da die Pegida-Demonstrationschöre fast verklungen sind, tritt Grünbein auf und schickt die Pegida von der Bühne hinunter.

Die Frage hatten ja viele gestellt: Warum ausgerechnet in Dresden? Warum da? Da sind doch kaum Migranten, als würde man in einem Steakhouse, den um sich greifenden Vegetarismus erblicken. Aber das war unsauber gedacht, als hätten Ressentiments tatsächlich etwas mit dem Fremden zu tun, als müsste es da sein, um Ressentiments zu entwickeln. Es schadet allerdings auch nicht. Denn die Gegenposition macht mich ebenfalls skeptisch: Gerade deshalb sei es in Dresden losgegangen, in Köln undenkbar, weil dort eben Migranten in ausreichender Zahl vorhanden seien, die in Dresden erst, zwecks Ressentimentbekämpfung, angesiedelt werden müssten. Das glaube ich genauso wenig. Und so sieht es auch Grünbein, der sagt: „Eine Bedrohung findet sich immer.“ Es ist die Kleinbürgermentalität, die er angreift.

Und er schreibt, nachdenkenswert, wie ich finde, darüber, dass die Pegida-Anhänger ‚genau wüssten‘, sie ‚unterscheiden genau‘. Sie wissen genau, wo die Grenzen der Kultur zu ziehen sind. Das ist alles äußerst lesenswert, und an viele Stellen könnte man anknüpfen.

Aber stimmt das hier? „Wissen“ sie? Unterscheiden sie „genau“? Meinem Spießbürger würde ich dieses Wissen und das genaue Unterscheiden jedenfalls nicht zutrauen. Sein Wissen ist diffus. Er will das alles weghaben, er weiß eben nicht genau, täte sich unendlich schwer, wenn er sich nun auf so wacklige Dinge wie Argumente verlassen müsste. Er weiß ‚fest‘, würde ich sagen, unumstößlich, unbelehrbar, wie Grünbein später schreibt.  Aber nicht genau. Und deshalb hielt ich die Diskussionen, die von der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung angestoßen wurden, für sehr sinnvoll. Zuhören und antworten, das soll ja manchmal helfen, wenn Einer denkt, er wüsste genau, aber er weiß gar nicht. Wie die Studenten, die im Germanistik-Seminar mit den Augen rollen, wenn der Dozent fragt, ob alles verstanden sei – wir haben lange schon verstanden, weitere Erläuterungen bitte in den Papierkorb – und nach dem Seminar miteinander sprechen: „Ach, Goethe! Literatur aus dem Mittelalter interessiert mich einfach nicht.“ Die Illusionen des Verstehens, hoffentlich nicht unbelehrbar, da könnte ein Gespräch doch helfen.

Zu idealistisch? Das ist mein planloser Enthusiasmus gegen die Idiotisierung des Abendlandes.

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