Hin und wieder werde ich von Freunden auf meinen Blog angesprochen. Ob Das-und-das nicht spießig sei? Ich reagiere meistens so überrascht wie Harry Luck, als er, kurz nachdem er ein Buch über den Spießer veröffentlich hatte, in einem Interview ausgerechnet auf diesen angesprochen wurde. Da hat man nur schnell ein Büchlein dazu rausgehauen, und schon soll man sich im Thema auskennen?!
Also, die Frage war: Ist
der Tatort spießig? Ja, ich schaue den gerne, müsste also etwas dazu sagen
können. Freunde erzählten, dass sie, nachdem sie mal bei einer anderen
Gelegenheit vorgeschlagen hatten, den Tatort in einer kleinen Gruppe gemeinsam
zu sehen, als vermeintliche Spießer dastanden. Und ‚Deutschtümelei‘ sei das.
Nun, gestern war Berlin,
Ritter und Stark. In der letzten Woche, Faber in Dortmund, wollte ich diesen
Text nicht schreiben. Das wäre zu einfach gewesen, Faber teil die Tatort-Fans, man
kann ihn hassen, man kann ihn lieben. Das ist schon mal ein schlechtes Indiz
für ein spießiges Format. Jörg Hartmann spielt den Faber auch zu intensiv, zu
knapp vorm Wahnsinn. Ein Auto mit dem Baseballschläger zertrümmern, Phantasien
vom Kindesmissbrauch artikulieren, immer wieder auf Dachkanten von Hochhäusern
herumstehen. Das klingt nicht nach einem Sonntagabendprogramm für den Spießbürger.
Nun, gestern war Berlin. Berlin
hatte in den letzten Jahren einige Höhepunkte, darf aber insgesamt als ziemlich
prototypisch gelten. Das ist oft Mörderraten – so wie gestern – das ist oft ein
bisschen Großstadt und ein bisschen Provinz – so wie gestern – das mischt ein klein
wenig Humor mit etwas mehr Betroffenheit – ja, genauso wie gestern. Und dann
lässt es sich wunderbar über die kleinen Abweichungen reden: Die Musik war doch
toll diesmal!
Tatortschauen ist stark ritualisiert.
Keine verblüffende Erkenntnis. Da werden Freunde, die sonntags zum Abendessen
eingeladen wurden, nach der Vorspeise wieder hinausgebeten, der Tatort naht. Wenn
die beim Essen auch so trödeln müssen.
Das stark ritualisierte
macht verdächtig. Und auch das mittelmäßige. Es ist kein Schrott, es ist selten
Kunst. Das verschreckt niemanden, und das rührt an keine Ideale, wie Brentano sagen würde. Das erfreut den Spießbürger, der nicht erschrocken werden will und
sich an Idealen nicht die Finger verbrennen.
Das ‚Deutsche‘ des Tatorts
dagegen ist vielleicht das Unspießige daran. Denn der Tatort, ob gut gemacht
oder schlecht, ist ein Spiegel dieses ‚deutschen‘. Ein leichter sozialkritischer
Wind, den auch der konservative Deutsche gern in seiner Jacke spürt zum
Beispiel. Ein starker Ordnungswunsch, bei dem die Polizei pünktlich um 21.45
Uhr die Gefängnistür hinter dem Mörder schließt zum Beispiel, und dann der
Sonntag endet und die Woche beginnt. Ein festes Schema ist wichtig, damit dann
und wann genau dieses Schema thematisiert werden kann, damit man darauf
aufmerksam wird. Das Mittelmaß hat also einen guten Zweck. Acht von zehn Mal rattern
die Schemata und man sieht den
deutschen Krimi, aber dann ein Mal ist es gar kein Krimi, kein Sozialkitsch,
kein Mittelmaß, kein Bodenseewerbefilmchen, kein ausbuchstabiertes Political-Correctness-Wörterbuch.
Ach, und der zehnte von zehn Tatorts? Über Ludwigshafen, nächsten Sonntag,
schweige ich.
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