Zehn gute Gründe, um wählen zu gehen. Fünf gute Gründe, um mit dem Rauchen aufzuhören. 1000 gute Gründe für Europa. Zwei gute Gründe für Heidi Klums neu entfachte Liebe zu Seal. Ein guter Grund für Lokalpatriotismus.
Gründe sind,
so könnte man aus dieser kleinen Nachrichtenschnipselsammlung schließen,
wichtig. Und am wichtigsten sind gute Gründe. Wer nicht wählen gegangen ist,
hatte immerhin zehn Gründe gegen sich, gute Gründe, die kaum zu widerlegen sein
dürften. Wie hält ein Nichtwähler das überhaupt aus? Ich war selbstverständlich
wählen, ich gehe fast immer wählen, wenn es etwas zu wählen gibt, ganz egal
was. Eine Abstimmung über eine neue Straßenbahnlinie? Ich wähle. Zehn gute
Gründe für die Wahl plus einen für meinen Lokalpatriotismus. Das macht elf. Das
nennt der Philosoph wohlbegründet. – Sogar diese Europawahlen? Ja, ich war
dabei, sogar dort, habe gewählt, irgendetwas parteiförmiges, europäisches,
Hauptsache man wählt.
Richard von
Schaukal schreibt in seinem eigenwilligen Buch „Leben und Meinungen des Herrn
Andreas von Balthesser“:
„Man erkennt
den Philister daran, daß er niemals um Gründe verlegen ist und immer Zwecke
fordert. Der Dilettant ist der unbegründet Zwecklose.“
Es ist also
besonders spießig, kleingeistig, philiströs, wenn man gute Gründe anzugeben
weiß? Die Figur, die diesen Aphorismus niederschreibt, ist ein Dandy. Ein Dandy
ist in mancher Hinsicht das Gegenstück zum Spießer: Während der Spießer sich
verschließt, ins Kleine zielt, will der Dandy ganz groß, weltgewandt,
unabhängig scheinen. Er, das ist klar, lebt nicht in der Welt der kleinen
Zwecke, geht eben nicht arbeiten, um Geld zu verdienen. Aber Arbeiten und Geldverdienen
ist nun nicht in jedem Fall philisterhaft zu nennen.
Ein Dandy um 1800: Fiel damals auf, fällt heute auf. Bild von Carl Vernet, Quelle: Wikimedia.
Es wird
deutlicher, was gemeint sein könnte, wenn zum Beispiel die Liebe, die
Leidenschaft ins Spiel kommen. Zehn gute Gründe, warum ich in diese Frau
verliebt bin? Zehn Gründe, warum ich dem HSV alles erdenklich Gute wünsche. Da
fällt mir doch keiner einziger ein. Trotzdem, den HSV finde ich gut! Für Bayern
oder St. Pauli könnte ich spielend leicht Grund um Grund aufzählen. Der
erfolgreiche Fußball oder die braunen Trikots, die vielen Tore oder verrückte
linke Fans, Paulaner oder Astra.
Oder die
Liebe: Gründe, warum man sich in DIESE Frau verliebt hat? Klar, das ließe sich
wissenschaftlich unterlegen: Eine bestimmte psychische Disposition; Pheromone,
die allzu heftig wirkten; Hormone, wie Oxytocin etc. Eine ebenso gute Erklärung
hatten bereits die antiken Römer: Ein Pfeil von Amor!
Hier Gründe zu
suchen, bedeutet vor allem, Verantwortung wegzuschieben, eine Ausrede sich
schon zurechtzulegen. Denn ich hatte doch gute Gründe damals für den HSV. Den kleinen Nutzen und den kleinen Zweck
vorzuziehen, kann bedeuten, die Welt in eine allzu starre Ordnung zu bringen,
wo außerhalb des guten Grundes, des Nutzens nichts übrig bleibt.
Messi ist der
Grund für Argentiniens Weltmeistertitel. Fünf Gründe, warum Brasilien das
Tunier gewinnt. Deutschland ist der Favorit: 10 Gründe. Ach, zehn, ja? Wirklich?
Das warte ich ab.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.