Martin Walser hat für die ZEIT die drei Bände besprochen, die alle Briefe Rudolf Borchardts an seine Frau Marie-Luise Borchardt enthalten. Liebesbriefe von Rudolf Borchardt! Da dachte ich sofort, das ist ein ideales Geschenk zum Fest der Liebe. Rudolf Borchardt, der ist noch immer ein bisschen so etwas wie ein Geheimtipp. Das kommt als Geschenk ja am allerbesten, da kann man den Connaisseur so richtig raushängen lassen. Und der kann schreiben! Ich kenne zwar diese Briefe nicht, aber so – verdammt gut – schreibt heute niemand mehr. Kann keiner mehr! Echt nicht.
Erst im
zweiten Moment sah ich: drei Bände, tausende Seiten, hunderte Euro, das hat
etwas zu definitives: Hier nimm! Und komm bloß nicht auf die Idee, dass ich Dir
jemals wieder einen Liebesbrief schreiben werde. Hallo!? Du hast drei Bände
Liebesbriefe von Borchardt bekommen, das reicht für eine ganze Beziehung, es
würde für eine zweite gleich auch noch reichen.
Also kein
Borchardt zu Weihnachten! Und, wie gesagt, ich kenne diese Briefe gar nicht. Zum
Fest der Liebe denke ich nun eher an das kleine Bändchen, dass die Briefe von
Sören Kierkegaard an seine Verlobte, Regine Olsen, enthält. Es wurde keine Ehe daraus,
aber an den Briefen lag es nicht. In diese Briefe kann man sich verlieben. Die Übersetzung,
die Raphael Meyer vor 100 Jahren anfertigte, hat Rilke stellenweise
überarbeitet. Der Ton ist einzigartig:
„Meine
Regine!
Dieser Brief
hat kein Datum und soll auch keins haben, da sein hauptsächlicher Inhalt das
Bewusstsein eines Gefühls ist, das ich zwar, selbst in allen verschiedenen
Tonarten der Liebe, in jedem Augenblick hege, das ich eben daher aber auch
nicht in irgend einem einzelnen Augenblick hege im Gegensatz zu anderen
Augenblicken (nicht um 10 Uhr präzise, oder Punkt 11 Uhr, nicht am 11. Nov. im
Gegensatz zum 10. Oder 12.). Dies Gefühl verjüngt sich nämlich fortwährend, es
ist ewig jung wie die Bücher, die uns das Mittelalter überliefert, von denen
es, obgleich sie mehrere hundert Jahre alt sind, noch immer heißt: gedruckt in
diesem Jahre.“
Was für
Einstieg in einen Brief! Das ist, zugegeben, ziemlich hoch gegriffen. Und es
ist Literatur. So wie Kierkegaard die Ewigkeit der Liebe hier zu bannen
versucht, so sehr zielt das über seine geliebte Regine hinaus. Das ist längst Literatur,
ist sehr viel Kierkegaard und eher wenig Regine.
Oder ganz ins
Poetische führend:
„Meine Regine!
Jetzt ist es
Winter, aber deshalb eben Zeit, des Sommers zu gedenken. Das Pferd schnaubt,
die Zügel liegen ungestrammt in meiner Hand, die Natur erwacht, jeder Baum
neigt sich beim ersten Morgenschauer, um zu sehen, ob sein Nebenmann noch an
demselben Orte ist, ein einsamer Vogel hebt sich empor, stolz lässt er seine
Stimme im flüsternden Walde wiederhallen, bestürzt springt ein Hirsch auf, äugt
um sich und verschwindet in des Waldes Heimlichkeit.“
So schreibt
heute nun wirklich niemand mehr. Und Briefe schon gar nicht. Vielleicht noch eine
Nachricht über Whatsapp. Die sieht dann aber anders aus. Zu so viel Poesie ist mein
Smartphone jedenfalls nicht fähig. Wenn ich ein Wort schreibe, erscheinen oben
direkt (das ist ein Samsung S-irgendwas) drei Wortvorschläge, wie der Text
weitergehen könnte. Ich beginne also mit „Meine Regine“ und lasse mein Smartphone
den Liebesbrief vollenden:
„Meine Regine
und ich bin auch nicht mehr so viel wie möglich zu halten und die anderen
beiden Seiten die Bilder von der Arbeit und Beruf und Familie in der Nähe von
München nach dem Urlaub zurück zu Übersicht vorheriger Artikel nächster Artikel
ist sofort lieferbar inkl MwSt zzgl Versand der Ware an den Start gehen und
dann die Tage nochmal.“
Das ist nun
deutlich prosaischer. Arbeit, Beruf, Familie: Da wäre es vielleicht zu einer
Ehe zwischen Sören Kierkegaard und Regine Olsen gekommen, aber mir ist das doch
irgendwie zu kleinkariert, gleich an die Mehrwertsteuer zu denken. Zweiter Versuch
(immer den linken Vorschlag nehmend, ich beginne wieder mit „Meine Regine“):
„Meine Regine
das wäre dann die ganze Familie mit dem ich ohne Einsatz und ich habe mich auch
nicht so viel zu viel Zeit in Anspruch oder so was wie schmeckt auch noch ein
bisschen zu den Themen Arzneimittel GmbH Ihr seid ja nicht mehr als ein Jahr
später noch einmal zu den Themen Arzneimittel…“
Da hat meine
Nachrichtensoftware aber noch Luft nach oben. Mehr Kierkegaard-Briefe in die
Datenbank einspielen, bitte! Letzter Versuch (ich beginne wieder mit „Meine
Regine“ und wähle stets die dritte Vervollständigung):
„Meine Regine
die ganze Welt in die Kirche in Bayern zu einem der anderen Art der Unterkunft
und ich hab mich mal an der Zeit der großen Auswahl von dir und deinem Fall der
Berliner Festspiele die ganze Welt in die Kirche in Bayern…“
Na immerhin,
die „ganze Welt in die Kirche in Bayern“ – das hat wenigstens ein bisschen was
vom kierkegaardschen Witz. Ich wünsche damit allen Leserinnen und Lesern ein
schönes „Fest der Liebe“, ob in einer bayrischen Kirche oder anderswo!